Hans-Jürgen Hartauer wird mit seinem Team von Future Service Sells den 23. HOGAST-Powertag am 23. Mai 2023 im Erste Campus in Wien gestalten. Thomas Askan Vierich hat mit ihm, seiner Tochter Lucca sowie Marcel Leiprecht über positive Ausstrahlung gesprochen, ob man ein Wiener Schnitzel besser machen kann oder wie man als Unternehmer wieder neuen Schwung bekommt.
Thomas Askan Vierich: Die Stimmung in der Gastronomie und der Hotellerie ist schlecht: Die Kosten steigen mehr als man das bei den Preisen weitergeben kann. Mitarbeiter*innen sind schwer zu finden. Die Liquidität für Investitionen und Kredite wird immer knapper. Man hat das Gefühl, wir haben uns da in eine Negativspirale manövriert. Wie kommt man da wieder heraus? Wie kann man wieder Mut für Neues fassen?
Hans-Jürgen Hartauer: Wir haben durchaus optimistische Kunden, die das Negative gar nicht so an sich heranlassen. Und natürlich auch welche, die in diesem Negativstrudel feststecken. Ich spreche da von einem Positiv- oder Negativrhizom, also einer Wurzel. Wenn man einmal in diesem Negativrhizom drinsteckt, dann reiht sich ein Fehler an den anderen. Man muss einfach versuchen, entweder im Positivrhizom zu bleiben oder dort reinzusurfen.
Lucca Hartauer: Was wir ausstrahlen, ziehen wir auch an. Wenn ich selbst negativ bin, dann ziehe ich auch keine Leute an. Umgekehrt funktioniert das aber auch. Das strahlt man aus. Das sagen wir auch unseren Kunden ganz oft. Wir haben Kunden, die können sich vor Personal kaum retten, weil sie einfach etwas Positives ausstrahlen. Die wollen was machen, die bringen Innovation in den Laden. Dafür bekommen sie auch etwas zurück. Es geht um das richtige Mindset.
HJH: Wir kommen viel herum auf der Welt, kennen viele Konzepte, wissen, was funktioniert oder funktionieren könnte, wo die Entwicklungen hingehen. Wir wissen, wie die Welt tickt und können deshalb auch zum richtigen Produkt zum richtigen Zeitpunkt beraten. Das Konzept muss nicht trendy sein, aber man muss bereit sein neu zu denken. Wer auf Trends aufsetzt, ist immer veraltet. Man muss dem Markt um fünf bis zehn Jahre voraus sein – wie die Scheinwerfer eines Autos in der Nacht.
Kann man eine gute Idee aus Brasilien, Shanghai oder Kalifornien auf Österreich übertragen?
HJH: Man muss sich ansehen, was dort passiert. Business ist Land Wirt Schafft. Man muss sich alles ansehen und daraus seine eigene Land Wirt Schafft bauen. Wenn man nicht über den Tellerrand blickt, dann glaubt man, das Wiener Schnitzel sei der Nabel der Welt.
Das Wiener Schnitzel ist ja durchaus ein Erfolgsprodukt. Kann man das neu interpretieren und besser machen? Soll man das überhaupt?
Lucca: Wenn es zum Konzept passt, ja sicher! Aber nicht in einem ganz traditionellen Gasthaus. Dennoch gibt es natürlich coole Konzepte, die einen traditionellen Ansatz mit Innovation verbinden können. Im trendigen Münchner Glockenbachviertel gibt es ein Takeawaylokal, das hervorragenden traditionellen Schweinebraten inklusive Knödel und Blaukraut to go für Nachtschwärmer anbietet. Das ist dort der absolute Renner. Auch ein simples Produkt wie Pommes kann man kreativ pimpen. Grundsätzlich kann man Produktinnovation betreiben. Oder den Laden anders gestalten.
Wie innovativ schätzen Sie denn die Wiener Szene ein im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten?
HJH: Auch in Wien entsteht eine kreative Szene. Oft sind das ganz kleine Läden. Man verabschiedet sich jetzt ein bisschen von der Hardware und setzt auf die Software, die Kreativität. Man setzt auf Witz und Spirit. Bei uns am Viktualienmarkt passiert das auch. In einer sehr traditionellen und eher verschlafenen Umgebung gibt es plötzlich einen Kartoffelstand, der unglaublich viele Kartoffelvarianten anbietet. Und daneben entstand eine innovative Kaffeerösterei. Auf einmal entwickelt sich da etwas Neues.
Zurück zum Wiener Schnitzel: Wir hatten zum Beispiel mal den Auftrag am Ammersee ein neues Konzept für einen traditionellen bayerischen Biergarten zu entwickeln. Der hatte schon fünfmal den Pächter gewechselt und lief einfach nicht – trotz Toplage. Man war davon ausgegangen, die Gäste aus München kommen eh nur am Wochenende und im Winter hat man komplett zugesperrt. Das war aber falsch. Ich habe aus der Sicht des Gastes gedacht: Was kennt der? Was sucht der? Vielleicht einen Beachclub wie auf Sylt oder Ibiza? Also weg mit den öden Sonnenschirmen und diesen schweinsfarbenen Bierbänken, weg mit Wiener Schnitzel und Schweinebraten – obwohl das die meistverkauften Produkte waren, besonders das Schnitzel! Wir haben weißen Kies ausgestreut, die alten Sonnenschirme mit einem Sonnensegel ersetzt. Auf der Karte stehen jetzt vegane und vegetarische Currys. Ein Wiener Schnitzel reißt am Ammersee niemanden vom Stuhl. Wenn man Wiener Schnitzel macht, muss man vielleicht nur Wiener Schnitzel machen und das richtig gut inszenieren. Wie der Figlmüller in Wien. Egal, was man macht: Es muss den Anspruch haben, etwas Einzigartiges zu sein. Etwas, was man woanders so nicht bekommt.
Aber könnten die am Ammersee nicht sagen: Ein Ibiza-Beachclub passt zu uns nicht!
HJH: Das ist natürlich kein 1:1-Beachclub wie auf Ibiza. Wir haben offene Feuer gesetzt, Fackeln, schönes Licht, ein schönes Ambiente.
Lucca: Bevor wir so ein Konzept entwerfen, machen wir einen Strategieplan und setzen uns mit den Leuten zusammen. Dann gehen wir gemeinsam die strategischen Ziele durch, die Wünsche. Wir fragen die Leute: Was treibt euch an? Wenn jemand sagt, ich liebe den Bayerischen Wald und wäre gerne Holzfäller, dann wird das Konzept anders, als wenn jemand sagt, ich hänge gerne am Beach von Ibiza herum. Es geht immer um die Menschen, die müssen das ja auch umsetzen und mit Leben füllen.
Man kann niemandem etwas aufpropfen und wenn es sich noch so orginell und erfolgsversprechend anhört?
Lucca: In München gibt es ein Restaurant, das heißt „Trumpf oder Kritisch“ (https://www.trumpf-oder-kritisch.de/), ein Hybrid aus Gasthaus und Bar. Der Name bezieht sich auf ein Kartenspiel, das sich auch im Lokal widerspiegelt. Das Lokal ist küchentechnisch bayerisch, sieht aber völlig anders aus.
Mit einem innovativen, witzigen Konzept, hinter dem man auch total steht, wird man auch Mitarbeiter*innen finden, oder?
Lucca: Klar, da geht es wieder um die Ausstrahlung. Das muss aber wirklich allumfassend sein: Wie ist mein Onlineauftritt, wie sieht meine Webseite aus, wie werden meine Gäste dort und im Lokal begrüßt. Das sehen ja auch potenzielle Mitarbeiter*innen. Auch die Karte ist für Mitarbeiter*innen wichtig: Als Vegetarierin arbeite ich sicher lieber in einem vegetarischen Restaurant. Ab er auch das Innen ist wichtig: Wie ist das Personal drauf, was strahlen die aus? Wie ist die Stimmung im Team?
Kann man das Personal schulen in Hinsicht auf diese Ausstrahlung?
Lucca: Das bieten wir auch neben dem Konzeptionellen und dem Branding an: Coaching. Wir entwickeln auch ein Konzept speziell für den Service. Welches Lebensgefühl wollen wir ausstrahlen? Wie begrüßen wir unsere Gäste? Mit den üblichen Floskeln? Oder geht auch was anderes? Auch Teamspirit kann man trainieren.
HJH: Ein Betrieb wird immer an seiner Innovationskraft gemessen. Und an seinem trainierten Team. Nur wenn es Spaß macht, fliegt eine Firma. Wie bei einem Flugzeug. Das kann so schön sein, wie es will. Wenn niemand weiß, wo es hinfliegen soll, wird es nie abheben. Dann gibt es nur Floskeln und Dienst nach Vorschrift. Damit kann man nicht gewinnen. So etwas haben wir für McDonald’s oder den Robinson Club entwickelt. Dort hieß das „Service for Value“. Gerade haben wir etwas für BMW gemacht: „Emotion sells“ nannten wir das, ein klassisches Future-Sells-Programm, daran arbeiteten wir über fünf Jahre. Gestern waren wir bei der UEFA in Frankfurt, da entwickeln wir etwas für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland.
Marcel Leiprecht: Die Onlinekommunikation ist ganz wichtig und wird oft unterschätzt. Der Spirit muss wirklich überall kommuniziert werden. Auf der Karte, im Service, aber auch auf der Website. Auch dort muss sofort klar sein: Wo befinde ich mich hier? Was ist das für ein Laden? Ein Beachclub oder ein traditionelles Gasthaus? Man muss seine Bildwelten aufräumen und auch die Sprachwelten. Wie wird etwas erzählt? Das Wording muss angepasst werden. Ein falsches Detail kann das ganze Konzept sprengen.
Lucca: Wir sagen immer: Man geht nicht nur in ein Restaurant, weil man hungrig ist. Oder in ein Hotel, weil man dort schlafen will. Man will dort etwas erleben! Es geht um Gefühle, um Erlebnisse. Das zieht sich überall durch. Das fängt schon bei der Website an. Ich besuche ja nicht nur eine Webseite, um mir die Speisekarte anzusehen. Ich will da schon ein Gefühl bekommen, was das für ein Betrieb ist, was der für ein Lebensgefühl ausstrahlt. Und wenn man dann das Lokal betritt und die erste Frage, die einem gestellt wird, ist „Haben Sie reserviert?“ hat man schon verloren. Dann sind die Schmetterlinge erstmal tot.
Sehr wahr!!
Lucca: Genau darauf schulen wir die Leute. Dass sie stattdessen sagen: „Schön, dass Sie da sind!“
Darauf muss man das Personal erst schulen?
Lucca und Marcel: Ja! Die wissen das einfach nicht. Man muss es ihnen beibringen. Und das ist so wichtig. Kleinigkeiten können entscheidend sein. Das galt übrigens auch für BMW.
Vielleicht wollten die nicht aufdringlich sein…
HJH: Die Schuld liegt aber nicht beim Inhaber. Die haben oft viel zu viel zu tun und bekommen das gar nicht mit. Unser Vorteil ist die Schwarmintelligenz. Ein einzelner Fisch schwimmt zu 45 Prozent dem Feind direkt ins Maul. Im Fischschwarm treffen sie aber zu über 90 Prozent die richtige Entscheidung. Deswegen treten wir als Team auf. Wir lernen im Jahr rund 200 Betriebe kennen und kennen bereits Tausende. Da häuft sich Wissen an. Das senkt die Fehlerquote.
Wir hatten vor zwanzig Jahren mal einen Kunden im Bayerischen Wald. Damals war der Bayerische Wald touristisch und gastronomisch tot. Jenseits der Grenze konnte man in Tschechien das Gleiche überall um einen Bruchteil des Preises bekommen. Unser Kunde war ein Hotel in wunderschöner Gegend, das für seinen Schweinebraten berühmt war und fast pleite gegangen ist. Also haben wir dort eine Symmetriebrechung vorgenommen: Wir haben zum Hotel eine Lodge dazugebaut. Die Eltern wollten unbedingt an ihrem Schweinebraten festhalten. Aber die Söhne mochten asiatisch lieber. Sie wollten dort lieber thailändisch kochen. Also gab es Streit. Wir haben gesagt: Macht doch beides! Aber der Sound muss stimmen. Also nannten wir die Küche Thai-Bay. Wir haben zum Beispiel eine Currywurst im Bananenblatt serviert. Heute verkaufen die 800 Essen am Tag, 72% davon thailändisch.
Ein anders Beispiel aus Meran: Unser Kunde in der Innenstadt hatte keine Grünflächen. Das haben die immer als Nachteil gesehen. Die anderen hatten schöne, begrünte Gastgärten und einen Pool. Da habe ich den Spieß umgedreht und aus der vermeintlichen Schwäche eine Stärke gemacht: Wir haben aus dem Hotel ein Stadthotel gemacht. Vorne gibt es jetzt ein schönes Straßencafé mit einer Espressobar daneben, alles sehr großstädtisch. Und das Motto des Ganzen war damals: „Life in the City“. Wohlgemerkt: in Meran!
Man muss seine Stärken ausspielen und nicht über seine Schwächen lamentieren! Aber so eine Beratung kostet ja auch Geld und tut manchmal weh. Man muss bereit zu Veränderungen sein. Sind Ihre Kunden das?
HJH: Ein Flugzeug hat keinen Rückspiegel. Wir versuchen nicht zurück, sondern nach vorne zu blicken. Wir erleben auch immer wieder, wie die Menschen in so einem Veränderungsprozess regelrecht aufblühen. Wir haben nur ein Leben und da sollte man kraftvoll leben. Es ist jammerschade, wenn man seinen Betrieb zusperren muss, weil man keinen Mut gehabt hat.
Lucca: Es ist ja nicht so, dass man gleich Millionen hinlegen muss. Oft sind es die Kleinigkeiten, die man ändern kann. Ein Verbotsschild austauschen. Oder im Fitnessstudio einfach die Laufbänder umdrehen, dass man nicht mehr gegen die Wand starren muss. Plötzlich entsteht da eine Community und die Leute gehen viel lieber ins Fitnessstudio. So einen Fall hatten wir in Krems.
HJH: Das Teuerste in einem Restaurant ist der leere Tisch und in einem Hotel das leere Bett. Nicht das Personal oder die Miete. Und das kann man ändern.
Über Future Service Sells
Hans-Jürgen Hartauer ist der Gründer von Future Service Sells in München. Future Service Sells ist eine Unternehmens- und Strategieberatung mit einem Team aus Trainern, Strategen und Konzeptentwicklern. Sie machen Firmen fit und erfolgreich für die Zukunft – im Servicegedanken, in der strategischen Ausrichtung und in der Markenkommunikation. Zu ihren Kunden gehören u.a. Eatrenalin, Alexander Herrmann, Ruby Hotels, Urban Nature, Mama Thresl, Priesteregg, Quellenhof, Salt & Silver, MINI, BMW, Robinson Club, 25h Hotels, Tirol Lodge Ellmau, Hardys Fitness uvm. Seine Tochter Lucca Hartauer ist seit drei Jahren als Beraterin im Unternehmen, kommt ursprünglich aus der Werbung und hat Markenkommunikation und Werbung in München studiert. Marcel Leiprecht ist der Spezialist für den digitalen Bereich bei Future Service Sells.
HOGAST-Powertag
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Zitate:
Interview: Thomas Askan Vierich Bilder: Future Service Sells
23. Februar 2023
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